
Der Weise und der Vogel in der Hand
Es waren einmal zwei Brüder – Ying und Yang.
Auf einem hohen Berg in der Nähe ihres Dorfes lebte ein alter Greis, von dem die Leute sagten, dass er alles wisse. Die beiden Jungen hatten sich nun in den Kopf gesetzt, dem alten Greis eine Frage zu stellen, die er nicht beantworten konnte.
Stundenlang saßen sie auf einer Wiese und überlegten und überlegten, welche Frage sie dem Alten stellen könnten. Ying kletterte auf einen Baum, um besser überlegen zu können. Auf einem Ast neben ihm saß ein kleiner Vogel, der leise zwitscherte. Ganz plötzlich schnappte Ying sich den Vogel und hielt ihn in seiner Hand fest.
Der Greis saß meditierend vor seiner Hütte. Die beiden Jungen standen atemlos vor ihm. Nach einer Weile öffnete er langsam die Augen und blickte die beiden zappeligen Jungen an.
“Alter Mann, wir haben eine Frage an dich!” sagte Yang.
“So fragt.” antwortete der Greis.
“Alter Mann, was halte ich hier in der Hand?” fragte Ying und die Brüder starrten den Alten gespannt an.
Er schloss die Augen, dachte einen Augenblick nach und öffnete sie wieder. Er sagte:” Du hast einen Vogel in deiner Hand.”
Ying guckte siegesgewiss zum Greis und fragt: “Nun denn. Weiser Mann, ist der Vogel tot oder ist er lebendig?”
Daraufhin schloss der Greis seine Augen wieder. Ying und Yang wurden ganz ungeduldig und als er endlich seine Augen wieder öffnete, sprach er: “Mein Sohn. Ob der Vogel tot oder lebendig ist, das liegt ganz in deiner Hand.”
(Geschichte des Tao)

