
Breathwork gegen Stress und Ängste: Kohärente Atmung (Resonanzatmung)
Kohärente Atmung ist eine Breathwork-Technik, bei der du gleichlange, langsame Atemzüge mit einer Geschwindigkeit von etwa fünf pro Minute machst, ohne zwischendurch den Atem anzuhalten.
Kohärenter Atem ist eine einfache und leichte Möglichkeit, Stress abzubauen1Bordoni B, Purgol S, Bizzarri A, Modica M, Morabito B. The influence of breathing on the central nervous system. Cureus. 2018;10(6):e2724. doi:10.7759/cureus.2724, schlechte Laune zu lindern und sich bei Angstgefühlen2Jerath R, Crawford MW, Barnes VA, Harden K. Self-regulation of breathing as a primary treatment for anxiety. Appl Psychophysiol Biofeedback. 2015 Jun;40(2):107-15. doi:10.1007/s10484-015-9279-8 zu beruhigen, indem er auf das autonome Nervensystem einwirkt3Jerath R, Crawford MW, Barnes VA, Harden K. Self-regulation of breathing as a primary treatment for anxiety. Appl Psychophysiol Biofeedback. 2015 Jun;40(2):107-15. doi:10.1007/s10484-015-9279-8..
Durch regelmäßiges Üben kann sich deine Herzfrequenzvariabilität (HRV) verbessern – ein Zeichen für ein starkes und widerstandsfähiges Nervensystem.
Im Alltag atmen wir oft unbewusst und schneller, meist mit zwei bis drei Sekunden pro Ein- und Ausatmung. Das entspricht etwa 15 Atemzügen pro Minute. Bei der kohärenten Atmung verlängerst du Ein- und Ausatmung auf etwa sechs Sekunden und halbierst damit die Atemfrequenz.
Mehr zum Thema findest du im Beitrag → Wie die Lenkung des Atems auf Körper und Psyche wirkt.
Wirkung von kohärenter Atmung
Beim kohärenten Atmen synchronisierst du deine Atmung mit dem Herzschlag. Diese Atemtechnik, auch Resonanzatmung genannt, beeinflusst die Herzfrequenzvariabilität (HRV).
Stress, Angst oder Überforderung lassen die Herzfrequenz ansteigen4Fincham GW, Strauss C, Montero-Marin J, Cavanagh K. Effect of breathwork on stress and mental health: A meta-analysis of randomised-controlled trials. Sci Rep. 2023;13(1):432. doi:10.1038/s41598-022-27247-y. Wenn unser Körper zu lange in einem gestressten Zustand bleibt, sinkt die Herzfrequenzvariabilität (HRV). Eine niedrige HRV erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, während eine hohe HRV auf ein gesundes Nervensystem hindeutet5Similowski, T., & Laborde, S. (2022). Heart rate variability and slow-paced breathing:when coherence meets resonance. Neuroscience & Biobehavioral Reviews, 135, 104576. https://doi.org/10.1016/j.neubiorev.2022.104576.
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Kohärentes Atmen aktiviert das parasympathische Nervensystem, reduziert Stresshormone und erhöht die Produktion von Gamma-Aminobuttersäure (GABA), einem beruhigenden Neurotransmitter der für guten Schlaf sorgt6Streeter CC, Gerbarg PL, Brown RP, et al. Thalamic gamma aminobutyric acid level changes in major depressive disorder after a 12-week iyengar yoga and coherent breathing intervention. J Altern Complement Med. 2020;26(3):190-197. doi:10.1089/acm.2019.0234, verringert die allostatische Belastung („Verschleiß“ des Körpers durch wiederholten oder chronischen Stress) und verbessert die Herzfrequenzvariabilität.
Im Jahr 2013 veröffentlichten US-Wissenschaftler einen Artikel über evidenzbasierte Atemübungen (einschließlich kohärenter Atmung), die bei der Verringerung der Symptome von Angst– und Stressstörungen hilfreich sind7Brown RP, Gerbarg PL, Muench F. Breathing practices for treatment of psychiatric and stress-related medical conditions. Psychiatr Clin North Am. 2013 Mar;36(1):121-40. doi: 10.1016/j.psc.2013.01.001. PMID: 23538082, https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/23538082/..
2017 untersuchte eine weitere Gruppe US-amerikanischer Wissenschaftler die Wirkung von Iyengar Yoga und kohärenten Atemübungen auf depressive Symptome. Die Studie umfasste 30 Personen (im Alter von 18–64 Jahren) mit einer schweren depressiven Störung. Nach der 12-wöchigen Intervention gingen die depressiven Symptome deutlich zurück8Streeter CC, Gerbarg PL, Whitfield TH, Owen L, Johnston J, Silveri MM, Gensler M, Faulkner CL, Mann C, Wixted M, Hernon AM, Nyer MB, Brown ER, Jensen JE. Treatment of Major Depressive Disorder with Iyengar Yoga and Coherent Breathing: A Randomized Controlled Dosing Study. J Altern Complement Med. 2017 Mar;23(3):201-207. doi: 10.1089/acm.2016.0140. Epub 2017 Feb 16. PMID: 28296480; PMCID: PMC5359682, https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5359682..
→ Zum Beitrag: Expertentipps zur Bauchatmung.
Kohärente Atmung und der Vagusnerv
Die Atmung ist Teil des autonomen Nervensystems (ANS), das auch den Herzschlag und die Verdauung steuert. Diese Funktionen laufen automatisch ab, ohne unser Zutun, sogar im Schlaf.
Der Vagusnerv verläuft vom Gehirn über das Zwerchfell bis zum Darm und reguliert das Zusammenspiel zwischen dem parasympathischen und sympathischen Nervensystem, die gemeinsam das ANS steuern. Dies beeinflusst die Herzfrequenz, die Verdauung und das allgemeine Gefühl der Ruhe.
Eine zentrale Aufgaben des Vagusnervs ist es, das Herz zu beruhigen (wenn es zu schnell schlägt) und es in einem stabilen Bereich zwischen 70 und 100,3 Hz zu halten.
Die einfachste Methode, den Vagusnerv zu aktivieren und das Herz zu beruhigen, ist eine bewusste Verlangsamung der Atmung9Balasubramanian K, Harikumar K, Nagaraj N, Pati S. Vagus nerve stimulation modulates complexity of heart rate variability differently during sleep and wakefulness. Ann Indian Acad Neurol. 2017;20(4):403-407. doi:10.4103/aian.AIAN_148_17. Man hackt sich so in das eigene Nervensystem ein – durch kontrollierte Atmung lässt sich der autonome Prozess beeinflussen.
Wenn die Atmung aus einem gestressten Zustand herausgeführt wird, folgen die übrigen Teile des autonomen Nervensystems diesem Rhythmus10Bordoni B, Purgol S, Bizzarri A, Modica M, Morabito B. The influence of breathing on the central nervous system. Cureus. 2018;10(6):e2724. doi:10.7759/cureus.2724. Dies kann eine Kettenreaktion auslösen, die Stress, Angst und damit verbundene Beschwerden verringert.
Kontraindikationen Meditation
Meditationen sind kein Ersatz für ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung. Höre immer auf deinen eigenen Körper.
Keine Meditation bei: akuten Psychosen oder manischen Episoden, Schizophrenie, bipolaren oder dissoziativen Störungen, endogenen Depressionen, PTBS, schwerem Trauma, hyperkinetische Störungen, Epilepsie, Erkrankungen des zentralen Nervensystems, geistiger Behinderung, akute Drogenabhängigkeit oder Neigung zu Halluzinationen oder Aneurysmen.
Wenn du eine abgelöste Netzhaut, grüner Star, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, COPD, Asthma hast oder in den letzten sechs Wochen einen Herzinfarkt oder Schlaganfall hattest oder schwanger bist, sollte du diese Meditation ausschließlich nach Rücksprache mit einem Arzt praktizieren.
Umgebung für die Meditation
Führe diese Meditation nur in einem geschützten Rahmen durch. Nicht beim Autofahren oder Bedienen vom anderen Maschinen, nicht in der Badewanne oder im Meer, Schwimmbad oder Sauna.
Führe diesen Breathwork am besten zu Hause mit einem Meditationskissen* oder Meditationsstuhl* auf dem Boden, Sofa, Stuhl durch.
Vorbereitung für die Meditation
Du solltest diese Übung am besten auf leerem Magen durchführen oder einige Stunden nach dem Essen vergehen lassen, bis du sie durchführst.
Direkt nach dem Essen ist dein Nervensystem zu sehr mit der Verdauung beschäftigt. Das Zwerchfell kann sich einfach nicht so wie erforderlich ausdehnen, weil der volle Magen im Weg ist.
Meditationsanleitung
Haltung: Sitze im Schneidersitz auf einem Meditationskissen*. Alternativ kannst du diese Übung auch auf einem geraden Stuhl sitzend, im Liegen oder Stehen machen. Die Haltung sollte locker, nicht starr sein.
Vorbereitung: Beginne mit einigen tiefen, bewussten Atemzügen in den Bauch.
Mudra: Keine Vorgabe. Es kann unterstützend sein, eine Hand auf den Bauch zu legen, um den Atem bewusst dorthin zu leiten.
Fokus: Lasse die Augen geschlossen.
Atem: Atme langsam und rhythmisch ein und aus. Idealerweise sollte das Einatmen etwa 6 Sekunden und das Ausatmen ebenfalls 6 Sekunden dauern. Atme tief in den Bauch ein und nicht in den Brustkorb. Der Atem darf hörbar sein.
Wenn das zu schwierig ist, was an verschiedenen Faktoren bis hier zur Körpergröße liegen kann (kurzer Oberkörper = kürzere Atemzüge, langer Oberkörper = längere Atemzüge), beginne erst einmal mit 4 Sekunden Ein- und Ausatmen.
Für Anfänger kann es auch empfehlenswert sein, mit nicht ganz tiefen Atemzügen zu beginnen, um Hyperventilation zu vermeiden. Vertiefe die Atmung erst, wenn du dich wohl und sicher fühlst.
Versuche nicht, den Atem zu erzwingen oder mehr Luft einzuatmen. Dies geschieht ganz natürlich, indem du die Atemzüge mehr und mehr verlängerst und dich an das Gefühl gewöhnt hast.
Insight Timer, ZenBreath, Cohera, Heart Coherence, etc.
Mantra: – ohne –
Zeit: Als Faustregel gilt: je höher der Stress, desto länger der Breathwork. Beginne mit 2 Minuten tiefer Atmung und erhöhe mit der Zeit auf bis zu 20 Minuten. Alternativ mache mehrere Einheiten von 1 bis 2 Minuten mit einer kurzen Pause.
→ wie sich die jeweilige Meditationsdauer auswirkt.
Abschluss: Entspanne die Haltung und spüre nach.
Versuche negative Gedanken beim Breathwork zu vermeiden. Atemtechniken können diese manchmal auslösen. Plötzlich denkt man: das kann ich nicht, das ist zu viel, ich platze gleich, mein Bein tut weh, das ist sinnlos und so weiter. Wenn man negative Gedanken hat, fällt es dem Körper deutlich schwerer, in einem entspannten Zustand zu kommen.
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Schwindel und kribbelige Nase beim Breathwork
Ein Gefühl von High bis Schwindel ist bei dieser Praxis ein ganz normales Phänomen. Mit etwas Übung lernst du auf deinen Körper zu hören und lernst, ob es okay ist einfach weiterzumachen. Schätze ein, ob der Schwindel wirklich in Richtung Ohnmacht geht – dann brichst du sofort ab und kehrst zur normalen, flachen Atmung zurück.
Oder ist es ein berauschender Schwindel, wie High (vor Glück) zu sein? Dann ist es gut und du kannst genauso weiter machen. Bedenke – es ist nur Sauerstoff.
Auch ein kribbeliges Gefühl in der Nase ist völlig normal und in der Regel ein Zeichen dafür, dass du alles richtig machst.
Kohärentes Atmen ist eine eingetragene Marke von Coherence LLC. Dieser Beitrag bezieht sich auf die allgemeine Technik und nicht auf das spezifische Protokoll oder die Produkte, die von Coherence LLC entwickelt wurden.
Alle Angaben ohne Gewähr. Die Informationen basieren auf dem Stand des Veröffentlichungsdatums des Artikels. Aus rechtlichen Gründen weise ich darauf hin, dass die auf dieser Website genannten Indikationen lediglich beispielhaft sind und kein Heilversprechen darstellen. Die veröffentlichten Informationen dienen nicht zur Eigendiagnose oder zur Anwendung von Therapien. Bei Beschwerden sollte immer ein Arzt oder Heilpraktiker konsultiert werden. |
Quellenangaben
- 1Bordoni B, Purgol S, Bizzarri A, Modica M, Morabito B. The influence of breathing on the central nervous system. Cureus. 2018;10(6):e2724. doi:10.7759/cureus.2724
- 2Jerath R, Crawford MW, Barnes VA, Harden K. Self-regulation of breathing as a primary treatment for anxiety. Appl Psychophysiol Biofeedback. 2015 Jun;40(2):107-15. doi:10.1007/s10484-015-9279-8
- 3Jerath R, Crawford MW, Barnes VA, Harden K. Self-regulation of breathing as a primary treatment for anxiety. Appl Psychophysiol Biofeedback. 2015 Jun;40(2):107-15. doi:10.1007/s10484-015-9279-8.
- 4Fincham GW, Strauss C, Montero-Marin J, Cavanagh K. Effect of breathwork on stress and mental health: A meta-analysis of randomised-controlled trials. Sci Rep. 2023;13(1):432. doi:10.1038/s41598-022-27247-y
- 5Similowski, T., & Laborde, S. (2022). Heart rate variability and slow-paced breathing:when coherence meets resonance. Neuroscience & Biobehavioral Reviews, 135, 104576. https://doi.org/10.1016/j.neubiorev.2022.104576
- 6Streeter CC, Gerbarg PL, Brown RP, et al. Thalamic gamma aminobutyric acid level changes in major depressive disorder after a 12-week iyengar yoga and coherent breathing intervention. J Altern Complement Med. 2020;26(3):190-197. doi:10.1089/acm.2019.0234
- 7Brown RP, Gerbarg PL, Muench F. Breathing practices for treatment of psychiatric and stress-related medical conditions. Psychiatr Clin North Am. 2013 Mar;36(1):121-40. doi: 10.1016/j.psc.2013.01.001. PMID: 23538082, https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/23538082/.
- 8Streeter CC, Gerbarg PL, Whitfield TH, Owen L, Johnston J, Silveri MM, Gensler M, Faulkner CL, Mann C, Wixted M, Hernon AM, Nyer MB, Brown ER, Jensen JE. Treatment of Major Depressive Disorder with Iyengar Yoga and Coherent Breathing: A Randomized Controlled Dosing Study. J Altern Complement Med. 2017 Mar;23(3):201-207. doi: 10.1089/acm.2016.0140. Epub 2017 Feb 16. PMID: 28296480; PMCID: PMC5359682, https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5359682.
- 9Balasubramanian K, Harikumar K, Nagaraj N, Pati S. Vagus nerve stimulation modulates complexity of heart rate variability differently during sleep and wakefulness. Ann Indian Acad Neurol. 2017;20(4):403-407. doi:10.4103/aian.AIAN_148_17
- 10Bordoni B, Purgol S, Bizzarri A, Modica M, Morabito B. The influence of breathing on the central nervous system. Cureus. 2018;10(6):e2724. doi:10.7759/cureus.2724
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